Mutter Teresa's Besuch bei den Vereinten Nationen
anlässlich des 40. Jahrtages



26. Oktober 1985
Saal der Generalversammlung

[Basierend auf dem unveröffentlichten UNTV Video Filmmaterial. Wörtliche Niederschrift durch den Ständigen Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinigten Nationen, New York 14. Januar 2004]

 

Einführung von Generalsekretär Pérez de Cuéllar:

Dies ist ein Saal der Worte. Einige Tage zuvor hatten wir den mächtigsten Mann der Welt an diesem Redepult. Nun haben wir die Ehre, die mächtigste Frau der Welt bei uns zu haben. Ich denke nicht, dass ich sie vorstellen muss. Sie braucht keine Worte. Sie braucht Taten. Ich denke, das Beste was ich tun kann ist, ihr den schuldigen Tribut zu zollen, in dem ich sage, sie ist bedeutender als ich, bedeutender als wir alle. Sie ist die Vereinten Nationen. Sie ist der Friede in der Welt. Vielen Dank.

 

Mother Teresa:

Wir sind hier versammelt, um Gott für die 40 Jahre wunderbarer Arbeit zu danken, die die Vereinten Nationen für das Gute der Menschen aufgewandt haben. Und weil wir das Jahr des Friedens beginnen, lasst uns alle das Gebet beten, sie haben alle ein Exemplar erhalten, beten wir dieses Gebet zusammen für den Frieden. Denn Werke der Liebe sind Werke des Friedens. Beten wir es zusammen, damit wir Frieden erlangen mögen und Gott uns Frieden verleihen kann, indem wir alle miteinander eins werden.

Mach uns würdig Herr, damit wir überall in der Welt unseren Mitmenschen,

die in Armut und Hunger leben und sterben, dienen.
Gib ihnen heute durch unsere Hand ihr tägliches Brot,
und schenke durch unsere verstehende Liebe Frieden und Freude.

Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst,
dass ich verzeihe, wo man beleidigt,
dass ich verbinde, wo Streit ist,
Das ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
Dass ich Glaube bringe, wo Zweifel droht,
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung droht,
das ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert,
das ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste,
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe,
nicht dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt,
wer sich selbst vergisst, der findet,
wer verzeiht, dem wird verziehen,
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Amen.

Wir haben unseren Herrn darum gebeten uns zu Werkzeugen des Friedens, der Liebe, der Einheit zu machen. Und dazu ist Jesus gekommen, um diese Liebe zu beglaubigen. Gott liebte diese Welt so sehr, dass er Jesus, seinen Sohn, hingab, damit er zu uns kommt und uns die Gute Nachricht bringt, dass Gott uns liebt. Und dass es sein Wunsch ist, dass wir einander lieben wie er jeden von uns liebt. Dass er uns aus einem einzigen Grunde erschaffen hat: damit wir lieben und geliebt werden. Aus keinem anderen Grund. Wir sind nicht nur eine Nummer in der Welt. Wir sind Kinder Gottes.

Als ich das letzte mal in China war, fragten sie mich: “Wer ist ein Kommunist für Sie?“ Ich sagte: „Ein Kind Gottes, meine Bruder, meine Schwester.“ Genau das ist es, wozu Sie und ich da sind: Bruder und Schwester zu sein. Weil dieselbe liebende Hand Gottes Dich und mich und den Mann auf der Straße erschaffen hat und ebenso den Leprakranken, den Hungernden, den Reichen, aus demselben Grund: um zu lieben und um geliebt zu werden. Dazu sind Sie und ich heute zusammen gekommen, um die Bedeutung des Friedens zu entdecken.

Wie entsteht Frieden? Durch Werke der Liebe. Wo beginnt er? Zuhause. Wie beginnt er? Indem wir zusammen beten. Familien, die zusammen beten halten nämlich auch zusammen. Und wenn sie zusammen halten, dann werden sie einander so lieben, wie Gott jeden Einzelnen von ihnen liebt. Durch das Gebet erhalten wir ein reines Herz und ein reines Herz kann Gott schauen. Wenn Sie Gott im anderen sehen, wenn Sie die Freude haben, Gott im anderen sehen zu können, dann werden wir einander lieben. Das ist es, warum keine Hautfarbe, keine Religion und keine Nationalität zwischen uns stehen sollte. Wir sind alle ohne Unterschiede Kinder der selben liebenden Hand Gottes, geschaffen für größere Dinge: um zu lieben und geliebt zu werden. Wir müssen nur die Freude des Liebens erfahren.

Ich werde niemals vergessen, wie zwei junge Menschen vor einiger Zeit zu unserem Haus kamen und mir eine Menge Geld gaben. Ich fragte sie: „Woher haben Sie soviel Geld?“ Sie sagten: „Wir haben vor zwei Tagen geheiratet. Wir haben vor der Heirat entschieden, dass wir keine Hochzeitskleidung kaufen werden. Wir werden kein Hochzeitsfest feiern. Wir geben Ihnen dieses Geld.“ Und ich weiß was das in unserem Land, in einer Hindu Familie bedeutet, keine Hochzeitskleidung zu haben und kein Hochzeitsfest zu feiern. Darum fragte ich noch einmal: „Aber warum? Warum haben Sie so gehandelt?“ Sie sagten: „Wir lieben einander so sehr, dass wir die Freude des Liebens mit den Menschen, denen Sie dienen, teilen wollten.“ Wie erfahren wir die Freude des Liebens? Wie erfahren wir das? Indem wir geben bis es weh tut.

Als ich nach Äthiopien ging, kamen kleine Kinder zu mir. Sie hatten gehört, dass ich dorthin gehe. Und sie kamen. Sie waren gekommen, weil sie von den Schwestern hören wollten, wie sehr die Kinder in Äthiopien leiden müssen. Und sie kamen und jedes gab etwas, ein ganz klein wenig Geld. Einige gaben das, was sie gerade besaßen. Und ein kleiner Junge kam zu mir und sagte: „Ich habe nichts, ich habe kein Geld, ich habe nichts. Aber ich habe dieses Stück Schokolade. Und Du gibst das, Du nimmst es mit Dir und gibst es den Kindern in Äthiopien.“ Dieses kleine Kind liebte mit großen Liebe, denn ich denke, es hielt zum ersten Mal ein Stück Schokolade in seiner Hand. Und er gab es weg. Er gab es voll Freude weg, fähig zu sein, mit anderen teilen zu können, um ein bisschen das Leiden von irgendjemand im fernen Äthiopien lindern zu können. Das bedeutet Freude des Liebens: zu geben bis es weh tut. Es schmerzte Jesus, uns zu lieben, denn er starb am Kreuz, um uns zu lehren wie man lieben soll. Das ist der Weg, wie auch wir lieben müssen: bis es weh tut.

Wir haben viele wunderbare Menschen; Sie haben sie auf den Bildern gesehen, unsere armen Menschen, unsere großartigen Menschen. Ich war mit ihnen seit so vielen Jahren zusammen und ich habe niemals eine Beschwerde gehört. Ich habe vor einigen Tagen einen Mann von der Straße aufgelesen, der von Würmern bei lebendigem Leibe aufgefressen wurde. Ich brachte ihn in unser Heim. Und was sagte dieser Mann? „Ich habe wie ein Tier auf der Straße gelebt, aber ich werde wie ein Engel sterben. Geliebt und umsorgt.“ Wir brauchten drei Stunden, um ihn zu säubern und um jeden einzelnen dieser Würmer, die ihn lebendig auffraßen, zu entfernen. Und es kam kein Wort von ihm. Und kurz zuvor, während wir gerade mit ihm beteten, während wir für ihn beteten, da schaute er zur Schwester auf und sagte: „Schwester, ich gehe heim zu Gott.“ Und er starb. Es lag solch ein wunderbares, großartige Lächeln auf seinem Gesicht. Er ging heim zu Gott. Ich habe niemals ein solches Lächeln wie dieses gesehen. Da dieser Mann, lebendig aufgefressen, keine Beschwerde, kein Fluch, nur: „ich gehe heim zu Gott.“ Was für ein wunderbarer Weg, um zu Gott heimzugehen. Mit einem sauberen Herzen, mit einem reinen Herzen, erfüllt voll Freude. Erfüllt mit jener Zärtlichkeit und Liebe, die er von den Schwestern empfangen hatte, die nach ihm schauten.

Ja, das ist es, weshalb Sie und ich heute, wenn wir wirklich dafür eintreten, wofür wir heute hierher gekommen sind, um das Jahr des Friedens zu beginnen, wir müssen damit zuhause beginnen, wir müssen bei unserer eigenen Familie beginnen. Werke der Liebe beginnen Zuhause, und Werke der Liebe sind Werke des Friedens. Wir wollen alle Frieden, und doch, und doch erschrecken uns die Nuklearwaffen, erschrecken wir vor dieser neuen Krankheit. Aber wir fürchten uns nicht davor, ein unschuldiges Kind zu töten, dieses kleine ungeborene Kind, das aus demselben Grund erschaffen wurde. Um Gott zu lieben und Sie und mich zu lieben.

Das ist solch ein Widerspruch, und ich fühle heute, dass Abtreibung zum größten Zerstörer des Friedens geworden ist. Wir fürchten uns vor Nuklearwaffen, weil sie uns berühren, aber wir fürchten uns nicht, die Mutter fürchtet sich nicht, diesen schrecklichen Mord zu begehen. Auch wenn Gott selbst davon spricht. Er sagt:„Selbst wenn eine Mutter ihr Kind vergessen könnte, ich vergesse dich nicht. Ich habe dich in meine Hand geschrieben, du bist kostbar für mich. Ich liebe dich.“ Dies sind Gottes eigene Worte für Sie, für mich und für das kleine ungeborene Kind. Darum lasst uns, wenn wir wirklich Frieden wollen, wenn wir heute mit aufrichtigem Herzen wirklich Frieden wollen, diese starke Resolution verabschieden: erlauben wir nicht, dass sich ein einziges Kind in unseren Ländern, in unseren Städten ungewollt fühlen muss, sich ungeliebt fühlen muss, weggeworfen von der Gesellschaft. Und helfen wir einander uns darin zu bestärken, dass in unseren Ländern dieses schreckliche Gesetz, das Unschuldige tötet, das Leben zerstört, das die Gegenwart Gottes zerstört, in unserem Land zurückgenommen wird, in unserer Nation, von unseren Menschen und unserem Familien.

Und darum, wenn wir heute beten, verbinden wir unserem Leben immer wieder mit dem Gebet. Denn Gebet wird uns Stärke verleihen. Gebet ist etwas, das uns dabei hilft, Gott in jedem anderen zu sehen, das uns hilft einander zu lieben, so wie Er jeden von uns liebt. Das ist etwas, das Sie und ich der Welt bringen müssen. Die ganze Welt schaut auf Sie. Sie sind hier aus allen Nationen zusammengekommen, um Mittel und Wege für den Frieden zu finden. Es ist sicher, Werke der Liebe sind Werke des Friedens und sie beginnen in der Familie. Viel Leiden und viel Zerstörung entstehen Zuhause in der Familie. Indem wir das ungeborene Kind vernichten, zerstören wir die Gegenwart Gottes. Wir haben die Liebe zerstört. Wir haben das Heiligste zerstört, das ein menschliches Wesen besitzen kann: die Freude des Liebens und die Freude geliebt zu werden.

Fassen wir darum heute, weil wir heute versammelt sind, in unseren Herzen einen starke Entschluss: Ich will lieben. Ich will Überbringer der Liebe Gottes sein. Denn dazu ist Jesus gekommen, um uns zu lehren, wie wir einander lieben sollen. Und Ihn zu bringen, damit er zuhause lieben kann, in unserer eigenen Familie, in unser eigenen ... zu denen, die ungewollt sind. Vielleicht gibt es den Geringen in unserer eigenen Familie.

Wir sprechen alle vom schrecklichen Hunger. Was ich in Äthiopien gesehen habe, was ich an anderen Orten gesehen habe, besonders in diesen Tagen an schrecklichen Orten wie in Äthiopien, die Menschen haben zu Hunderten und Tausenden den Tod vor Augen um ein Stück Brot und um ein Glas Wasser zu erhalten. Menschen sind in meinen Armen gestorben. Und dennoch vergessen wir, warum sie und nicht wir?

Lieben wir noch einmal, teilen wir miteinander, beten wir darum, dass dieses schreckliche Leiden von unseren Leuten weggenommen wird. Teilen wir mit ihnen die Freude des Liebens und wo beginnt die Liebe? Ich sage es noch einmal in unserer Familie, bei uns Zuhause. Bringen wir Liebe, Frieden und Freude durch das Gebet. Beten wir, betet zusammen, denn Beten schenkt Euch ein reines Herz. Ich werde für Sie beten, dass Sie in dieser Liebe Gottes wachsen mögen, indem Sie einander so lieben wie Er jeden von Ihnen liebt und besonders darum, dass Sie durch diese Liebe heilig werden. Heiligkeit ist kein Luxus weniger. Sie ist einfach eine Pflicht für jeden von uns. Denn Heiligkeit bringt Liebe, und Liebe bringt Frieden und Frieden bringt uns zusammen. Fürchten wir uns nicht, denn Gott ist mit uns, wenn wir ihm erlauben, wenn wir ihm die Freude eines reinen Herzens schenken. Beten wir, beten wir für einander. Und beten Sie auch für uns, damit wir weiterhin Gottes Werk mit großer Liebe tun können.

Sie haben diese jungen Schwestern gesehen, die ihr Leben ganz dem Dienst an den Ärmsten der Armen weihen. Diese jungen Schwestern kümmern sich um 158.000 Leprakranke, im Mittleren Osten, in Afrika und Indien und so viel Freude, neues Leben ist dadurch in ihr Leben hineingekommen. Warum? Weil es jemanden gibt, der sie liebt, jemanden der sie akzeptiert, jemanden der ihnen zärtliche Liebe und Fürsorge gibt.

An einem anderen Tag wurde ich gefragt; „Was werden Sie an diesem Ort tun? Wir haben alles. Die Regierung gibt uns alles. Was machen Sie hier?“ Ich sagte nur: „Ich gebe zärtliche Liebe und Fürsorge. Das kann kein Geld geben. Beginnen wir bei uns zuhause mit zärtliche Liebe und Fürsorge. Dazu wurden wir erschaffen. Dazu kam Jesus, um uns zu lehren, einander zu lieben, wie Er jeden von uns liebt. Wir haben viele arme Menschen auf der ganzen Welt, aber ich finde, die Armut der Einsamkeit, die Armut, ungewollt zu sein, ungeliebt, nicht umsorgt,cverlassen, weggeworfen von der Gesellschaft, ist eine sehr schwierige und eine sehr, sehr schwere Armut, und es ist sehr schwierig sie zu beseitigen.

Ich habe von den Straßen hungrige Menschen aufgelesen und ihrem Leiden ein Ende gemacht, indem ich ihnen zu Essen und ein Bett zum Schlafen gegeben habe. Aber bei den Einsamen, den Eingeschlossenen, den Ungewollten ist das nicht so einfach. Und darum müssen Sie und ich uns aufmachen und die Freude des Liebens teilen, aber wir können nicht geben, was wir nicht haben. Darum brauche wir das Gebet. Und das Gebet wird uns ein reines Herz schenken. Mit einem reinen Herzen werden wir Gott in jedem anderen sehen können. Und wenn wir Gott in jedem anderen sehen, dann werden wir fähig sein, in Frieden zu leben und wenn wir in Frieden leben, werden wir fähig sein, die Freude der Liebe mit jedem anderen zu teilen und Gott wird mit uns sein.

Gott segne Sie.


Mother Teresa MC