Sanftmut – eine Frucht des Heiligen Geistes



Erzbischof Henry D’ Souza

Der Heilige Geist, der in uns wohnt, bringt viele Früchte hervor. Paulus erwähnt sie in Gal 5, 22 – 23: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. Zorn, Gewalt, Hass, Eifersucht und Trunkenheit sind auf der anderen Seite die Früchte des bösen Geistes. Heutzutage scheint es, erfahren wir täglich sehr oft die Früchte des bösen Geistes. Darüber könnten wir die Qualität und die Macht des Heiligen Geistes fast vergessen. Denken wir jetzt ein wenig über die Frucht der Sanftmut nach.

Unsere Liebe Frau war sanftmütig. In den Hymnen besingen wir sie als „Sanfte Frau, sanfte Mutter“. Sanftmut scheint schwach und unpraktisch zu sein. Aber meistens gehört viel Mut dazu, sanftmütig zu bleiben. Sanftmut ist mehr als Freundlichkeit. Sie verleiht dem menschlichen Handeln, Liebenswürdigkeit und eine spezielle Note. Maria war sanft zu Josef. Sie stellte sich auf seine Entscheidungen ein, nach Bethlehem zu gehen, nach Ägypten und auch darauf nach Nazareth zurückzukehren. Maria war sanft zu Jesus, auch wenn sie seine Taten oder seine Worte nicht verstehen konnte. Sie bewegte sie dann in ihrem Herzen. Maria war in Kana in Galiläa sanft. Als sie sah, dass die Gastgeber in Verlegenheit kamen, da näherte sie sich Jesus und bat ihn um einen Gefallen: „Sie haben keinen Wein mehr“. Ihr Tun war so taktvoll, dass der Gastgeber nicht wusste, wie das Wasser in Wein verwandelt worden war. Ihr Verhalten war so diskret, dass sie kein Zeichen für ihr Eingreifen zurückließ. Wir neigen dazu, den Wert der Sanftmut bei den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen zu verlieren. Wir können bei unserem Handeln hart und gefühllos werden. Wir können gegenüber denen, die uns verletzt haben, rachsüchtig werden und unseren Ärger über die zeigen, die uns lästig sind. Viele Male sind wir dazu aufgerufen, tolerant zu sein und zu vergeben, um sanftmütig zu bleiben.

Erinnern wir uns an die Erzählung vom verlorenen Sohn. Henri Nouwen erwähnt das berühmte Gemälde Rembrandts „die Rückkehr des verlorenen Sohns“, als er über diese Geschichte schrieb: Der Vater hat seine Hände auf die Schultern des verlorenen Sohnes gelegt. Die linke Hand ist weit geöffnet und der Daumen drückt beim Halten auf die Schulter. Die Finger der rechten Hand sind geschlossen, sie liegt auf der Schulter, wie um zu beruhigen und zu liebkosen. Die linke Hand scheint das verletzbare und kranke Selbst des verlorenen Sohns zu halten und zu stärken. Die rechte Hand tröstet den jungen Mann.

Beim Nachdenken über dieses Gemälde spricht Henri Nouwen von der linken Hand, dass sie den männlichen Gott anzeigt – den Vater, der seinen eigenwilligen Sohn stark und fest hält. Die rechte Hand scheint Gott als Mutter zu zeigen – der den Jungen liebkost und liebt. Er erinnert an den Psalm „Ich habe dich mit unendlicher Liebe geliebt. Ich habe dich eingeschrieben in meine Hand.“

Diese Betrachtungen Henri Nouwens sind eine Einladung an den Sohn, wie der Vater zu werden. Auch der Sohn ist dazu berufen, die anderen zu stärken und die zu trösten, die bekümmert sind. Die Hände des Vaters beim verlorenen Sohn sind ein Beispiel für das, was menschliche Hände dem Nächsten anbieten sollen: sowohl männliche Stärke als auch weibliche Sanftmut.

Diese Gedanken Henri Nouwens sind sehr inspirierend. Wir sind zur Sanftmut berufen und uns ist zugleich bewusst: Sanftmut ist eine Frucht des Heiligen Geistes. Darum wollen wir mit einem innigen Gebet antworten und um diese Gnade bitten. Oft können wir Gründe für Ärger, für Rache und Gewalt finden. Aber das sind Früchte des bösen Geistes. Der Heilige Geist lädt uns ein, im Vergeben, im Verstehen und in der Sanftmut zu wachsen.

Erinnern wir uns am Ende dieser Betrachtung, wenn wir wollen, an einzelne oder mehrere Personen, bei denen wir es hart finden, sie zu lieben oder zu denen wir hart und unhöflich waren. Vielleicht können wir in Gedanken unsere Hände erheben und diese zu einer sanften Geste des Segnens und Vergebens ausstrecken. Durch solche inspirierenden Gesten können wir in der Sanftmut wachsen. Der Heilige Geist wird uns die Frucht der Sanftmut schenken.

Wir haben über Maria als sanfte Frau und sanfte Mutter nachgedacht, bitten wir sie um ihren Segen und ihre Hilfe. Möge sie uns durch ihr Beispiel und ihre Fürbitte helfen, in der Sanftmut zu wachsen, während uns der Heilige Geist verändert und unsere Herzen durch seine mächtige Gnade verwandelt.